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708668 web R by FotoHiero pixelio.deWie schön: Die NRW-Landesregierung möchte künftig die Krankentage aller LehrerInnen in NRW erfassen. Bislang werden diese Fehlzeiten bereits in der Schule erfasst außerdem muss die Schule eine Meldung an die Bezirksregierung absetzen, sobald mehr als sechs Wochen innerhalb eines Schuljahres zustande kommen. Jetzt will also auch das Land eine zentrale Datenbank zum Krankenstand anlegen (Vgl. Artikel in einer der besten Tageszeitungenen der Welt) und zwar zur "Gesundheitsförderung" (SZ).

Was wohl nach ehrlicher Sorge der Ministerin über den Gesundheitszustand ihres Personals klingen soll, ist zunächst vor allem ein großes Datenschutzproblem: Daten zu größeren Gesundheitsproblemen, nämlich immer dann, wenn ein Arzt besucht (und bezahlt) wird, werden bereits beim Arzt, bei der Versicherung, bei der Beihilfe,  bei der Schule, und - wenn ich über sechs Wochen in einem Jahr erkranke - bei der Bezirksregierung erfasst. Das finde ich ziemlich umfangreich, und mehr, als eigentlich nötig wäre. Kleinere Events wie ein selbsttherapierter Schnupfen werden bislang nur bei der Schule gespeichert. Auch das reicht.

Man darf sich fragen, was das Land sich durch die zusätzliche Datenerhebung erhofft.

Ich gehe mal davon aus, dass die offizielle Begründung, den erkrankten LehrerInnen optimal helfen zu wollen, Bullshit ist. Für ernstzunehmende Hilfe braucht es mehr als nur die Information, an wie vielen Tagen jemand erkrankt ist. Optimale Hilfe kann - in Grenzen - die Ärztin geben, die genau über den einzelnen Fall informiert ist. Auch das Land als Arbeitgeber könnte sehr viel zur Verbesserung der LehrerInnengesundheit leisten. Dafür braucht es aber keine Übersicht über Zahl und Länge der Krankmeldungen, sondern eine Untersuchung der Arbeitsbedingungen an Schulen. Dabei wird herauskommen, dass LehrerInnen weniger erkranken würden, wenn Schulgebäude auf einen aktuellen Stand gebracht würden. Wenn es z.B. nicht mehr ziehen und hineinregnen würde, wenn man im Sommer die Hitze ein wenig aussperren könnte (Jalousien gelten außerhalb der Schule nicht unbedingt als überflüssiger Luxus!), wenn die verbauten Materialien den Schall eher dämpfen als nur reflektieren würden.

Man könnte auch an der Arbeitsbelastung schrauben. Dabei will ich gar nicht über die schiere Menge der Arbeit klagen - das tun alle, auch MinisterInnen, ich weiß. Aber immerhin wäre es schön, wenn man sich ganz auf die (eigene!) Arbeit konzentrieren würde. Welche Behörde oder gar Firma mit über 100 PC-Arbeitsplätzen erwartet, dass ein oder zwei MitarbeiterInnen sich in Ihrer Freizeit nebenher um die IT kümmern? Wo muss die PR-Abteilung ihre Arbeit am heimischen Küchen- Wohnzimmertisch oder wo-auch-immer erledigen, jedenfalls nach der Arbeitszeit? Und bekommt dann noch Klagen über liegen Gebliebenes zu hören? Und wie kann man auf die Idee kommen, dem Personal mit der Inklusion behinderter SchülerInnen und von SchülerInnen, die weder deutsch noch englisch sprechen, ganz neue Arbeitsfelder zusätzlich aufzubürden, ohne es an anderer Stelle zu entlasten oder wenigstens entsprechend auszubilden. Fortbildungen an einem einzigen Nachmittag (nach getaner Arbeit, versteht sich) vermitteln nicht die Qualifikation, die im richtigen Leben Inhalt eigenständiger Studiengänge sind.

All das und noch viel mehr kann herausfinden, wer die Betroffenen einfach fragt - wissenschaftlich korrekt und statistisch valide mit einer repräsentativen Untersuchung. Wir alle wissen, dass das Land nicht bereit ist, etwas an den Ursachen der Arbeitsbelastung zu ändern, weil das nämlich Geld kostet. Damit kann ich notfalls leben, ich bin ja nicht in den Beruf gezwungen worden, sondern habe ihn mir selber ausgesucht. Und neben der tatsächlich sehr hohen und sicher gesundheitsschädlichen Belastung gibt es auch sehr starke motivierende Momente, die meiner psychosozialen Verfassung sicher guttun.

Unfair ist aber die Datenerhebung unter dem fadenscheinigen Vorwand, mit diesen Daten etwas verbessern zu wollen, wenn man hierzu überhaupt nicht fähig und wahrscheinlich auch nicht willens ist. Es ist das gleiche misstrauische Kontrolldenken, das schon beim landesweiten Vergleichen der SchülerInnenleistungen nicht weiterhilft: Defizite nur zu konstatieren ist zynisch, wenn man denen, die sie beseitigen könnte, nicht die dazu erforderlichen Mittel an die Hand gibt.

Bild: : FotoHiero  / pixelio.de

Kategorie: Schule, Pädagogik usw.