99 Tipps sind eine feste Marke im Repertoire von Cornelsen und das Gleiche kann man eigentlich auch von den juristischen Lehrer*innen-Ratgebern Günther Hoeggs sagen. Was man beim Kauf dieses Buches erhält, lässt sich also schon im Vorhinein ziemlich präzise abschätzen:
Eine Sammlung von aufs Wesentliche heruntergebrochenen Essentials zur Bewältigung typischer Situationen im Lehrer*innenalltag. Große Entwürfe, Reflexionen, gar Visionen kann man von dieser Reihe nicht erwarten, das ist aber natürlich auch nicht ihr Ziel. Detaillierte und umfassende Gesamtdarstellungen sind ebensowenig ihr Ziel, es geht wirklich um einen ersten Überblick – um das, was als Grundwissen eigentlich möglichst komplett hängenbleiben soll. Differenzierte Ausführungen schlägt man besser anderswo nach.
Die verschiedenen Titel Hoeggs überlappen sich stark, eigentlich gilt: Kennst du einen, kennst du alle. Andererseits: Im Sinne eines Spiral- (oder Circular-??) Curriculums kann man die gleichen wichtigen Informationen ruhig mehrfach hintereinander lesen, umso mehr bleibt hängen. Und gewisse Unterschiede und Variationen gibt es dann ja doch, man lernt also nicht nur besser, sonder immer auch etwas Neues. Neu in den 99 Tipps: Schulrecht ist z.B. eine (relativ) üppige Auseinandersetzung mit Fragen des Copyrights und Datenschutzes, was sicher der schon vor Corona (das Buch ist 2017 erschienen) voranschreitenden Digitalisierung geschuldet ist. Das ist nun ja gerade der Bereich meines persönlichen Interesses. Und der Bereich, in dem ich mich recht gut auskenne und daher feststellen muss: Wenn Hoegg im Abschnitt über das Copyright den Kopiervertrag der Länder nicht einmal erwähnt, dann fehlt wirklich Entscheidendes. Und wenn (richtig) auf die Archivierungspflicht für Lehrer*innen hingewiesen wird, sollte man unbedingt auch auf die dazugehörenden Löschpflichten hinweisen und nicht suggerieren, man sei auf der sicheren Seite, wenn man alle Daten für alle Ewigkeiten aufbewahrt.
Solche Lücken in Themen, die ich selber überblicke, schwächen mein Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Aussagen zu Themen, die ich eben nicht selber überblicke. Das ist schade und vielleich auch gar nicht nötig; es wäre durchaus plausibel, dass die für Hoegg neuen Themen weniger gründlich recherchiert und durchdacht sind als Themen, die schon seit den 50ern daueraktuell sind.
Ein weiteres Ärgernis fällt im Vergleich dazu dann schon weit weniger ins Gewicht: Hoeggs Schreibe würde ich über weite Strecken als onkelhaft beschreiben. Gegenüber Frauen, die bei männlichen Pluralformen selbstverständlich immer »mitgemeint« sind und die auch als fiktive Akteur*innen in den Beispielfällen immer ein bisschen naiv und häufig dumm (immerhin: im Gegensatz zu den Kollegen nie bösartig) sind. Aber auch gegenüber Schüler*innen und Eltern, denen gerne (immerhin: nicht immer) Faulheit, Dreistigkeit und ganz allgemein schlechte Absichten zugeschrieben werden. Als erwachsener Mensch kann man mit so etwas leben - schön finden muss man es aber nicht.