Mit ganzem Titel und Unteritel heißt dieser dritte Band aus der vierteiligen Pocahontas-Reihe eigentlich »Warum Cortés wirklich siegte. Technologiegeschichte der eurasisch-amerikanischen Kolonialismen«. Es ist übrigens der zuletzt erschienene Band – bei seiner Verfassung lagen nicht nur Bände eins und zwei, sondern auch der Abschlussband 4 »You give me fever«. In gewisser
Weise ist dieses Buch die Bestätigung seiner eigenen Hauptthese. Für Theweleit besteht das Charakteristikum der westlichen Kulturen darin, Informationen und Fakten aller Art zu sequenzieren und zu segmentieren. Alles wird in kleinste Einzelteile zerlegt – gedanklich und auch ganz real –, um anschließend wieder neu, und in Serie zusammengefügt zu werden. Man kann auch sagen: Analyse und Anwendung auf weitere Sachverhalte. Nichts wird genommen wie es ist, alles wird als Steinbruch für neue Möglichkeiten verstanden.
Genau das ist auch Theweleits Zugang zu Kultur und Geschichte. Das eigentlich schon Bekannte bricht er in kleinste Einheiten auf, die er dann zu erstaunlichen neuen Gedankengebäuden rekombiniert. Einiges davon mag hochtrabend daherkommender Blödsinn sein, in Fußnoten zur Funktionsweise von Youtube (regelloses Rekombinieren oder nicht?) räumt er das sogar quasi selber ein. Aber es finden sich unter den neuen Gedanken eben auch Perlen, die wirklich originell und bedenkenswert sind. Und weitere Gedanken, die immerhin Anstoß zum Er-Denken von Originellem sind.
Im Gegensatz dazu hätten die südamerikanischen Kulturen, aber auch viele andere später vom Westen überrannten und kolonialisierten Kulturen sich einem ganzheitlichen Denken verschrieben. Die Sachen sind, wie sie sind, und alles ist mit allem verwoben und darf daher nicht getrennt werden. Der Mensch hat seinen Platz im Gewebe der Schöpfung, über den er sich nicht erheben soll. Das ist natürlich nicht die Einstellung, mit der man neue Welten erfindet, baut und erobert.
Alles in allem: Warum Cortés wirklich siegte, weiß ich immer noch nicht (es könnten auch Feuerwaffen, Krankheitserreger oder interne Differenzen unter den indigenen Völkern ausschlaggebend gewesen sein). Es interessiert mich eigentlich auch nicht, weil es weder meine Heimat noch meine Zeit betrifft. Aber dass ich mir Theweleits Gedanken hierzu trotzdem durchlese, sie zum Teil verwerfe, zum Teil auch gar nicht verstehe, aber sie zu einem kleinen Teil auch zum Anlass für eigene Überlegungen und Handlungen nehme – das ist wahrscheinlich das, was er für den westlichen Modus des Denkens hält. Und es klingt auch aus heutiger Sicht recht attraktiv und ist vermutlich tatsächlich nicht nur der Grund, warum westliche Kulturen den größten Teil des Globus gewaltsam unterwerfen konnten, sondern auch dafür, dass ein noch größerer Teil des Globus – inklusive gewaltsam unterworfener Kulturen – das im Grunde ganz ok findet.