Vre Karrer war eine religiöse Sozialistin und Pazifistin, die sich nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes, die Rente bereits in Sichtweite, nach Somalia aufmachte, um dort eine Krankenstation aufzubauen. Der vorliegende Band erzählt die Geschichte der von ihr aufgebauten und betreuten Einrichtungen im wesentlichen anhand leicht redigierter Briefe in die Heimat. Er wird durch kurze biographische Würdigungen und Einführungen in Geschichte und politische Lage Somalias ergänzt.

Entgegen meinen Erwartungen war das Buch alles andere als zähe Lektüre – die Briefe wurden gut redigiert oder lagen bereits quasi-druckreif vor. Wichtiger als die leicht verdauliche Sprache ist aber die Faszination, die vom doppelten Bild ausgeht, das sich in den Briefen entfaltet: Zum Einen das Bild eines sich trotz Hindernissen und auch Rückschlägen stetig entfaltenden und prosperierenden Biotops sozialer Einrichtungen: Zur Krankenstation kommen eine Hebammenschule, eine Grund- und eine Mittelschule, eine landwirtschaftliche Genossenschaft, ein Reinigungsdienst für die Straßen und Plätze der Umgebung und zeitweise die Betreuung des lokalen Krankenhauses.

Zum Anderen natürlich das Bild von Vre Karrer selbst – eine sehr starke Persönlichkeit, die schon als Kind in die Bewegung des Religiösen Sozialismus hineinsozialisiert wurde (sie lernte noch Leonhard Ragaz kennen), außerdem eine überzeugte Pazifistin und Feministin. Mit Mut und Ausdauer und unter großen persönlichen Opfern hat sie in Somalia aufgebaut, was viele für unmöglich halten würden, nämlich eine kleine Insel des funktionierenden solidarischen Sozialismus. Dabei war sie sich der Widersprüche und Kompromisse, auf die sie sich immer wieder einlassen musste, schmerzlich bewusst. Wenn sie als überzeugte Pazifistin Geiselnehmer und Erpresser nicht verjagte, sondern ihnen eine Anstellung anbot, reflektierte sie in ihren Briefen die Bauchschmerzen und das verletzte Gerechtigkeitsempfinden. Sie hielt aber auch fest, dass das Verfahren funktionierte. Pazifismus tut manchmal weh und geht gegen alle Intuition – und trotzdem führt er zu guten Ergebnissen.

Bemerkenswert sind nicht so sehr die von außen kommenden Bedrohungen der kleinen Insel sozialistischen Aufbaus, sondern ihre erstaunlich geringe Anzahl. Tragisch ist, dass sie am Ende, nur Wochen vor ihrer endgültigen Heimkehr in die Schweiz, Opfer eines Mordes wurde.