Mit Herrn Schätzing habe ich bislang noch keine Erfahrungen gesammelt, aber dem Vernehmen nach ist er bekannt für wahre »Pageturner« (SZ), »Thriller« (?) und Bücher, die man, einmal angefangen, nicht zur Seite legen kann. Er ist übrigens auch bekannt für eher umfangreiche Bücher, die sich aber nichtsdestotrotz flott weglesen.

Breaking News jedenfalls entspricht genau diesem Muster: Ein Thriller um das Leben, vor allem aber Sterben von Ariel Sharon. Um Geheimdienste und um Geheimdienste im Geheimdienst, um Kriegsreporter und natürlich um dunkle Verschwörungen und um ganz, ganz viel Action. Auch wenn es durchaus einige Längen gibt und man sich fragen kann, ob der Autor wirklich soooo viele Lebensgeschichten über einen so langen Zeitraum hätte ineinanderweben müssen: Insgesamt ist ihm ein wirklich fesselndes Buch gelungen, das man so rasch nicht wieder zur Seite legen möchte.

Thema und Setting des Buches haben es in sich: Mit Ariel Sharon hat sich Schaetzing auch den Nahostkonflikt eingefangen, und da hat man gerade von deutschen Autor*innen leider zu viel Mist gehört und gelesen, um entspannt neugierig zu bleiben. Schaetzing macht hier erfreulich vieles richtig. Er lässt den Roman, der auf mehreren Zeitebenen parallel angesiedelt ist, in der Zeit vor Gründung des Staates Israel, in der Generation von Sharons Eltern beginnen. Er verfolgt die Geschichte nicht nur Sharons, sondern auch einer weiteren israelischen Familie über drei Generationen und legt dabei Stationen z.B. bei der Staatsgründung, im Sechstagekrieg, im Jom-Kippur-Krieg und im Libanonkrieg von 1982 ein. Der Sinai und Gaza werden besiedelt und wieder aufgegeben, als Leser*innen erleben wir die erste und die zweite Intifada mit. Wir machen die Bekanntschaft von pragmatischen Siedler*innen der ersten Generation, von radikalen aber auch von liberalen Rabbis, von gläubigen und von weniger gläubigen Jüd*innen, später auch von laizistischen Palästinenser*innen. Man kann sagen: in Setting und Cast des Buches kommt das moderne Israel in beeindruckender Breite und Vielfalt vor und werden auch die Bedingungen erfahrbar, unter denen so unterschiedliche Gruppen sich entwickeln und das Land prägen konnten.

Zwar sind die größten Schurken in Breaking News sämtlich Jüd*innen (eigentlich: Juden), dies ist aber dem Umstand geschuldet, dass das Buch eben in Israel spielt und sich mit israelischer Politik befasst. Palästinenser*innen kommen nur insofern vor, als Jüd*innen mit ihnen zu tun bekommen, also als eine Art lebendiges Setting der israelischen Gesellschaft. Dies ist auch der Grund, warum das Buch keinesfalls als Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt gelesen werden kann: Es ist einseitig auf Israel bezogen, allerdings ohne dabei allzu einseitig für oder gar gegen den Staat Israel Stellung zu nehmen. Trotzdem kann man sich natürlich fragen, ob ein Thriller, also ein auf reißerische Effekte angelegtes Buch, wirklich ein geeignetes Medium zur Auseinandersetzung mit einem so heiklen Thema wie dem Nahostkonflikt ist. Wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht ist es ok, das Thema als Backdrop für einen Thriller zu verwenden, wenn man dabei nicht allzuviel Porzellan zerschlägt.

Wer also eine spannende Agentenstory rund um den Shin Bet lesen möchte, soll hier gerne zugreifen. Wer über die Geschichte des Staates Isreal lernen möchte, ist mit einem Sachbuch sicher besser bedient als mit dieser Sammlung von Einzelschicksalen, die zudem noch weitestgehend fiktiv sind.