Wenn ein Muslim und ein Christ sich begegnen und so richtig viel Zeit haben, dann tauschen sie sich über ihre Gottesvorstellungen aus. Erleichtert wird der Austausch dadurch, dass Christentum und Islam sich beide auf den Abrahamitischen Gott zurückführen, also die gleichen Wurzeln für sich beanspruchen und, historisch, tatsächlich auch haben. Viele Gedanken, Konzepte, aber auch Personen und sogar ganze Geschichten aus der Hebräischen und der Christlichen Bibel finden sich auch im Koran. Gerade diese Verwandtschaft ist es aber auch, die das Gespräch sehr erschweren kann: Man kann kaum umhin, das Gegenüber einer falschen Vorstellung von Gott zu bezichtigen.

Grün und Karimi gehen das Gespräch offen und sehr systematisch an. In einem ersten Teil benennen beide Aspekte der jeweils fremden Religion, die für sie problematisch sind, der jeweils andere antwortet. In einem zweiten Teil werden grundsätzliche Fragen an Religion aufgeworfen. Beide stellen die Positionen der eigenen Religion dar, wobei mal der Eine, mal der Andere beginnt. Zum Abschluss erzählen und kommentieren beide Autoren noch einige Geschichten und Überlieferungen aus der je fremden Religion, die sie besonders beeindruckt haben.

Das Buch baut so eine Kurve von religiösen Irritationen über den Vergleich der Religionen hin zur Würdigung der jeweils fremden Religion auf, es wird also bei aller Offenheit und Anerkenntnis von Differenzen eine positive Grundstimmung erzeugt. Vieles von dieser positiven Stimmung hängt damit zusammen, dass beide Autoren sich in ihrem Bekenntnis zur Spiritualität, also zur innerlichen Frömmigkeit, sehr nahe sind. Dies zeigt allerdings auch die Grenzen ihres Dialogs auf: Grün spricht nicht für die Christ*innen, nicht einmal für die Katholik*innen. Und erst recht spricht Karimi nicht für die Muslim*innen. Was bleibt, ist also ein durchaus lesenswertes Protokoll, das zwei Individuen in ihrer religiösen Annäherung zeigt. Was ebenfalls bleibt, sind interessante Einsichten in die je fremde Religion (für mich: den Islam), die in der Folge zu Einsichten über das Wesen der eigenen Religion führen. Nichts definiert eine Sache schließlich so gut wie die Abgrenzung zu einer anderen Sache.