Wir sind Aachen...!
"Wir sind Aachen. Nazis sind es nicht.", so tönte und plakatierte die Aachener Stadtverwaltung anlässlich einer jüngst über Aachen hereingebrochenen Nazi-Demo.
Das ist natürlich sehr löblich. Im Gegensatz zu anderen Städten versucht Aachen nicht, sein kleines Naziproblem zu ignorieren, sondern spricht es offensiv und unübersehbar an.
Auch im Gegensatz zu weniger progressiven Städten werden die Nazis nicht als "Extremisten" oder "Radikale" etc. unkenntlich geredet, sondern klipp und klar als das benannt, was sie sind. Schließlich gibt es auch eine unzweideutige Distanzierung von den Nazis, und zwar ohne polit-arithmetische Seitenhiebe auf "andere Extremisten" oder "Linksradikale", die überhaupt gar kein Problem darstellen – für eine von der CDU (OK, in Koalition mit den Grünen) regierte Stadt keineswegs eine Selbstverständlichkeit.
Trotzdem ist mir beim Slogan "Wir sind Aachen, Nazis sind es nicht" ein wenig mulmig. Das fängt schon damit an, dass er einfach nicht stimmt: Natürlich gibt es unter den Demonstranten auch Reisenazis aus der näheren und weiteren Umgebung – aber meines Wissens kann ein bedeutender Teil der Demonstrant(In?)nen durchaus für sich in Anspruch nehmen, aus Aachen zu stammen oder in Aachen zu leben.
Es ist auch ein bisschen sehr einfach – und erinnert dann doch wieder an weniger fortschrittliche Städte vor allem im Osten – die Nazis einfach zu "Zugereisten" zu erklären und sich sein Naziproblem so durch schlichte Umdefinition vom Hals zu schaffen. Selbst wenn es so wäre, hätten wir in Aachen denn wirklich weniger Sorgen, wenn die Nazis aus Stolberg, Heinsberg und Düren statt aus Aachen und seinen eingemeindeten Vororten kämen? In Aachen demonstrierende Nazis beeinträchtigen Sicherheit und Lebensqualität völlig unabhängig davon, ob sie im Perso "Aachen" oder andere Wohnorte stehen haben.
Besser wird es auch dann nicht, wenn man den Slogan "...Nazis sind es nicht" wohlwollend als Versuch interpretiert, die Nazis einfach ein bisschen pisacken zu wollen, ihnen ein symbolisches "Mit euch spielen wir nicht!" entgegenzuschleudern. Im Prinzip wird hier so etwas wie eine kleine, beschauliche, lokale Volksgemeinschaft konstruiert: "Wir Aachener". In dieser Gemeinschaft sind alle Guten versammelt, während man die Bösen einfach ausschließt "Nazis sind es nicht". In diese Richtung deutet auch die lokalpatriotische Gestaltung der Plakate in schwarz-gelb, den Aachener Farben. Die Vertreter völkischer Reinheit und Exklusivität werden also ihrerseits aus der lokalen Volksgemeinschaft ausgeschlossen, weil sie als "unrein" verstanden werden. Das mag gut gemeint sein, reproduziert aber letztlich in Teilen (natürlich nicht komplett) das, was die Nazidenke so unangenehm, gefährlich und menschenverachtend macht.
Es trägt außerdem nicht viel zur Lösung des Problems bei. Es Benennt das Problem ehrlich, und das ist ein guter Anfang – und mehr als viele andere Städte leisten. Aber der nächste Schritt bestünde natürlich darin, etwas gegen die Entwicklung und Verbreitung von Nazi-Gedankengut zu unternehmen. Bildungsarbeit also – sei es in der Schule, an der Uni oder im öffentlichen Raum. Aber ganz bestimmt nicht in Stolberg, Heinsberg oder Düren – das fällt nämlich nicht in die Zuständigkeit der Aachener Stadtverwaltung –, sondern in Aachen selbst. AachenerInnen sind nämlich manchmal auch Nazis. Um das zu ändern, müssen AachenerInnen in Aachen aktiv werden, statt anklagend auf andere zu verweisen.