Digitale Unterrichtsplaner oder -assistenten gibt es ja schon seit etwas längerer Zeit, und den einen oder anderen (moment mal! und Green Line 10) hatte ich auch schon mal probeweise in Gebrauch – immer, ohne wirklich begeistert gewesen zu sein und auch nie für längere Zeit. Was vor allem fehlte, war ein erkennbarer Mehrwert, der den doch recht hohen Preis rechtfertigte. Mit der Bibox für das Englischbuch Camden Town habe ich jetzt den Unterrichtsplaner der Westermanngruppe getestet – und bin mäßig begeistert, was ja immerhin eine Verbesserung darstellt.
Die Bibox ist ein Mischding aus App, Programm und Webanwendung. Es gibt native Anwendungen für Windows, OSX, iOS und Android, die durch den Kauf der Bibox erworbene Lizenz berechtigt zum Zugriff über beliebig viele Geräte: Eventuelle Kommentare, Markierungen oder selbst hochgeladene Materialien werden über alle Geräte hinweg synchronisiert. Es fehlt eine Linux-Version, aber zumindest die Webversion sollte eigentlich überall laufen.
Sollte. Eigentlich. Leider setzt die Webversion auf Flash, die Windows-Anwendung auf AdobeAir. Ersteres ist auf Linux-Browsern entweder komplett deaktiviert oder nur nach Wegklicken diverser Warnungen einsetzbar. Und letzteres ist selbst auf manchen Windows-Tablets nicht vorhanden, so dass die Windows-Anwendung auch dort nicht unbedingt läuft. Fazit also: Das Programm lässt sich zwar (zur Zeit) überall nutzen, die teilweise erforderlichen Klimmzüge hinterlassen aber ein ungutes Gefühl und machen deutlich, dass ein Systemupdate das Programm von heute auf morgen unbenutzbar machen kann. Das betrifft natürlich »nur« Linux und Win-Tablet-Anwender*innen, aber damit eben auch mich.
Nach dem Start sieht man das, was man erwartet und auch schon von vielen anderen Programmen kennt: Eine Auswahl verfügbarer Schulbücher, im angewählten Schulbuch dann zentral die Darstellung einer Doppelseite, angereichert mit Navigationstools, rudimentären Malwerkzeugen und Zusatzmaterialien. Diese umfassen vor allem das Lehrer*innenhandbuch, das eigentlich niemand braucht und mich auch bei anderen Unterrichtsplanern schon nicht überzeugen konnte. Zumal es ja ausgesprochen unpraktisch ist, den recht begrenzten Monitorplatz zwischen eigener Planung, Lehrer*innenhandbuch und Schulbuch aufzuteilen, wenn man doch die zwei Bücher genauso gut in Papier neben den Bildschirm legen kann.
Hinzu kommen bei der Bibox für Camden Town noch die Vorschläge zur Leistungsmessung und einige Differenzierungsmaterialien, vor allem aber (fast, dazu später mehr) alle Audios und Videos.
Die Zusatzmaterialien liegen grundsätzlich sowohl als .pdf wie auch als .doc vor – man kann sie also wahlweise ohne weiteres Nachdenken direkt ausdrucken und verwenden oder sie (evt. nur teilweise oder verändert) in eigene Arbeitsblätter integrieren. .doc funktioniert auch mit LibreOffice, das heißt, dass Linuxanwender*innen hier nicht benachteiligt sind.
Ein weiterer Pluspunkt sind die Audios und Videos: sie sind direkt im Programm enthalten, können also (bei entsprechender Installation) auch offline verwendet werden. Hinzu kommt ein noch einigermaßen attraktives Preismodell: Eine Kollegiumslizenz kostet 200€ pro Band, das ist dann grob geschätzt etwa der gleiche Preis wie ein legaler Satz Audio-CDs für alle Kolleg*innen. Natürlich ist das teurer als das Modell »einen Satz CDs kaufen und dann kopieren«, aber das wäre ja auch nicht legal. Und die übrigen Materialien kann man als gratis Goodies verbuchen.
Leider gibt es auch hier wieder mehrere Probleme, die den eigentlich ganz guten ersten Eindruck doch ziemlich trüben: Vor allem: Es sind aus unerfindlichen Gründen nicht alle Audios in der App enthalten. Gerade die Songs zur Einführung neuer Grammatik fehlen häufig, was schade ist. Sie finden sich zwar auf der CD zum Workbook, aber wer will schon ständig zwischen App und CD jonglieren müssen?
Und überhaupt: Der Hauptvorteil der Bibox ist ja, dass alle Materialien immer und auf jedem Gerät zur Verfügung stehen, sogar offline. Man kann also alle (in der App vorhandenen!) Audios und Videos jederzeit und überall über ein Android- oder iOS-Gerät abspielen, vorausgesetzt natürlich, man hat das Gerät vorher mit einem Monitor oder wenigstens einem Lautsprecher verbunden. Schon das stellt sich aber an unserer Schule als problematisch heraus: Ein Mobilgerät (per Miracast) an einen Monitor zu koppeln ist einfach. Aber in einer Umgebung, in der mehrere Mobilgeräte sich gleichzeitig mit mehreren immer wieder wechselnden, Monitoren verbinden wollen, landen Audio oder Video häufiger als einem lieb ist auf dem Monitor der Nachbarklasse. Oder es lässt sich gar keine Verbindung herstellen.
Und dann gibt es da noch das Problem mit den Mobilgeräten selbst: Die Idee, über eine Android und iOS-App die Medien jederzeit dabei zu haben – schließlich hat ja quasi jede*r Lehrer*in immer ein Smartphone dabei – klingt gut. Ist aber leider nicht gut, weil die Apps nämlich erst auf Geräten ab 9 (oder 10?) Zoll Bildschirmdiagonale funktionieren. Auf Smartphones läuft also gar nichts, es muss schon ein Tablet sein. Und das haben die meisten Lehrer*innen dann doch nicht dabei. Es gibt natürlich einen leicht erkennbaren Grund für den Ausschluss kleinerer Geräte: Die Einrichtung des Programmfensters mit einer doppelten Schulbuchseite und links, rechts und unten Symbolleisten bzw. Menüs funktioniert auf kleinen Bildschirmen nicht. Selbst wenn das Schulbuch den ganzen Bildschirm füllen würde, wäre kaum etwas zu erkennen.
Andererseits: Im Klassenraum haben sowieso alle das Schulbuch dabei – da kommt es vorrangig auf die Mediendateien an, die man sehr wohl über einen kleinen Bildschirm auswählen, starten und sogar betrachten kann. Vielleicht zeigt sich hier auch eine konzeptionelle Schwäche: Soll die Bibox eher digitales Schulbuch mit angehefteten Materialien sein oder ist sie eher eine Schulbuch-Medienzentrale? In anderen Worten: Ist sie eher etwas für die Unterrichtsvorbereitung am heimischen Schreibtisch (mit großem Monitor) oder eher etwas für den Einsatz in der Klasse (häufig mit Smartphone-Bildschirm)? Der erste Einsatzfall wird als Extra natürlich gerne mitgenommen. Aber den hohen Preis rechtfertigt nur die Möglichkeit, (auch) den zweiten Anwendungsfall umsetzen zu können.
Einige weitere Kleinärgernisse sind mir noch aufgefallen, die aber das Gesamtbild nicht wesentlich beeinflussen.
Die zentrale Ansicht zeigt wie gesagt eine Doppelseite des Schulbuchs. Wenn man Audios abspielt, wird diese Ansicht abgedunkelt und der proprietäre Audioplayer wird über die Schulbuchseite gelegt. In der Regel ist das kein Problem – aber wenn das Audio mit einer Abbildung im Schulbuch zu tun hat, wäre es ganz schön, wenn das Bild nicht durch das Audio (bzw. den Player) verdeckt würde.
Ein schöner Zusatznutzen bei Betrachtung der Schulbuchseiten an einem Klassenraummonitor ist die Möglichkeit, in die Seite hineinzumalen – auch das funktioniert aber unglaublich zäh, wobei es offenbar noch Unterschiede zwischen Win, Web, iOS und Android gibt.
Schade: Die Idee, alle Materialien immer und überall dabei zu haben, ist super. Dann muss es aber auch eine Möglichkeit geben, die Geräte zu benutzen, die man sowieso immer dabei hat, nämlich Smartphones. Für die Nutzung als digitales Schulbuch ist das sicher nicht sinnvoll, aber bei ehrlicher Betrachtung wird die Bibox doch eher wegen der Audios und Videos und weniger wegen des ohnehin vorhandenen Schulbuchs gekauft werden. Bzw.: Würde gekauft werden, wenn die Apps auf Smartphones liefe.