Klaus ist ja der »bessere« Mann, und das zeigt sich nirgends deutlicher als in seinem Verhältnis zum NS. Er hat sich persönlich stark exponiert und hat dafür bitter bezahlt – nicht allein durch Emigration, die mit dem Sieg über Nazi-Deutschland zu ende hätte sein können, sondern letztlich auch durch seinen frühen Tod im nun »freiwilligen« Exil. Wobei: Was ist schon freiwillig, wenn das alte Heimatland ihn nach wie vor ablehnt, weil er schon lange vor dem Krieg gewusst und klar benannt hatte, welch schlimmen Geistes seine Mitbürger*innen auch nach dem Ende der Nazi-Herrschaft immer noch waren?

Persönlich betroffen durch den NS war Mann unter anderem auch als zeitweiliger Schwager von Gustav [sic!] Gründgens, einem zweifellos großen Schauspieler, der aber zweifellos auch ungehörige Nähe zum NS-Regime suchte und sich auch im Nachhinein nicht dafür schämte. Mann beschreibt schon sehr früh, was für ein Typ es war, mit dem seine Schwester sich da eingelassen hatte, und es ist nicht nur am Titel Mephisto klar ablesbar, was er von ihm hielt. Eine präzise und kalte Verachtung für einen ganz Großen, der innen drin eben auch ein ganz Kleiner ist, eine technische Begabung mit moralischer Leerstelle.

Der Roman und alle seine Charaktere bis ins dritte Glied sind voller Wut und Empörung, nichtsdestotrotz differenziert und vielschichtig ge- und beschrieben, es macht in der Tat Freude, dieses Werk zu lesen. Ob das Buch ungerecht ist? Wahrscheinlich, wer weiß. Der Schlusssatz Manns »Alle Personen dieses Buchs stellen Typen dar, nicht Porträts« stimmt eben nur insofern, als die porträtierten Personen gleichzeitig auch Typen waren. Dass Gründgens' Erben die Verbreitung des Buches bis in die 70erjahre gerichtlich verhindern konnten, ist also einerseits verständlich, weil er wohl gar zu wiedererkennbar dargestellt wurde. Und zur gleichen Zeit ist es natürlich auch ein Skandal, der alles über das Verhältnis der Nachkriegsdeutschen zur eigenen Geschichte aussagt, wenn der Persönlichkeitsschutz eines großen NS-Kollaborateurs, der selber nie publikumsscheu war, noch Jahrzehnte nach seinem Tod schwerer wog als das Publikationsrecht eines Gerechten unter den Schriftsteller*innen, der unter genau dieser Sorte »Typen« gelitten hat. Vor und nach der offen nationalsozialistischen Zeit.