Ende der 1970er-, Anfang der 1980erjahren war dieses Buch, das irgendwo zwischen Philosophie, Mathematik, Informatik und Biologie – oder besser: in allen vier Bereichen gleichzeitig – verortet werden kann, ein echter Geheimtipp. Obwohl der Autor durchaus fleißig weiterpubliziert, gelehrt und geforscht hat, ist es aber mittlerweile recht still um ihn geworden.
Im Grunde geht es Hofstadter um Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, AI), d.h. um die Frage ob und ggf. wie Computer eine Intelligenz entwickeln können, die der menschlichen ähnlich ist. Um diese Frage zu beantworten, muss man natürlich klären, was Intelligenz überhaupt ausmacht und wie man sie misst oder nachweist. Und sicher wäre es auch nützlich zu wissen, wie und wo die Intelligenz ihren Platz und Menschen hat und natürlich wie sie sich im Verlauf der Evolution entwickelt hat.
Ein entscheidendes Kriterium für Hofstadter ist die Freiheit des Willens, d.h. die Möglichkeit eines menschlichen oder künstlichen Geistes, unter genau kontrollierten Bedingungen trotzdem ein nicht vorhersagbares Ergebnis produzieren zu können. Oder anders ausgedrückt: Die Möglichkeit, dass die gleiche Intelligenz unter 100% identischen Bedingungen einmal so und ein andermal ganz anders entscheiden könnte. Das ist natürlich eine theoretische Überlegung, weil sich genau gleiche Bedingungen nie zweimal herstellen lassen, und sei es nur wegen der zeitlichen Differenz oder der im vorigen Durchgang gemachten Erfahrungen. Aber auch grundsätzlich stellt sich die Frage: kann eine künstliche Intelligenz nicht-vorhersagbar handeln, obwohl sie doch auf einem System implementiert ist, dass nach festen naturwissenschaftlichen Regeln und gemäß eines von Programmierer*innen entwickelten Programms agiert?
Für Hofstadter liegt die Antwort in einer Unterscheidung von Ebenen: Auf einer unteren (»hardware-nahen«) Ebene regiert in Mensch wie Maschine die Regelhaftigkeit. Die DNA, die Mechanismen zu ihrer Abfrage/Anwendung/Vervielfältigung/Rekombination sind strikt regelgeleitet und kennen keine Freiheit und keinen echten Zufall.
Auf diese untere Ebene bauen aber viele höhere Ebenen auf, die vielfältig geschichtet und untereinander verbunden sind. Schon die reflexhaften Reaktionen auf äußere Reize siedeln auf einer erheblich höheren Ebene. Noch höher und noch komplexer untereinander verknüpft sind Funktionen wie das Unterbewusstsein, das Selbstkonzept, Stimmungen, Überzeugungen, Loyalitäten, etc. »Gefühlt« hat der Mensch hier Freiheit – aber dieses Gefühl ist natürlich kein Beweis.
Hofstadter argumentiert, dass eine KI ganz genauso funktionieren kann: Letztlich ist sie ein Programm, das auf Rechnern, welcher Art auch immer, läuft. Auf dieser Ebene gibt es sicher keine Freiheit, nicht einmal Zufall. Hier spielt es vermutlich auch keine Rolle, dass es in der Biologie durchaus Zufälle gibt, nämlich Fehler beim Ablesen und Rekombinieren von DNA. Was sehr wohl eine Rolle spielt: Auch ein Computerprogramm kann als eine Schichtung verschiedenster Ebenen programmiert sein, die untereinander verknüpft sind, einander beeinflussen und sogar verändern. Das Ergebnis könnte tatsächlich vergleichbar dem menschlichen Bewusstsein ein »Gefühl« von Freiheit haben oder wenigstens behaupten. Wie beim Menschen gilt: Das Gefühl von Freiheit ist nicht gleichzusetzen mit tatsächlicher Freiheit. Aber es reicht, um Ergebnisse zu produzieren, die von denen menschlicher Intelligenz – deren Freiheit ja ebenso unbewiesen ist – nicht unterscheidbar sind.
Das Geheimnis der gefühlten (oder: wahrgenommenen) Freiheit scheint darin zu liegen, dass der Weg von äußerem Input zu einem wahrnehmbaren Output nicht linear einem vorgegebenen Algorithmus folgt, sondern dass es eine Feedback-Funktion gibt, die den Algorithmus (bzw. die komplexen Schichten, die zu einer Entscheidungsfindung beitragen) modifizieren. So führen selbst 100%ig identische Ausgangsbedingungen (die natürlich nur theoretisch vorstellbar sind) nicht zu vorhersagbaren Ergebnissen.
Oder, noch anders ausgedrückt: Der menschliche Geist ist eine Blackbox, die wir mit den Mitteln des menschlichen Geistes nicht verstehen können. Wir müssen uns damit begnügen, die Mechanismen ihrer Funktion zu verstehen, können aber nicht die Wege der Entscheidungsfindung nachvollziehen oder verstehen. Der Clou dieser Blackbox: Der Input wird nicht einfach auf geheimnisvollen Pfaden in einen Output verwandelt, sondern er verändert auch die Blackbox selbst, so dass bei einem nächsten Durchlauf ein genau identischer Input vermutlich einen anderen Output erzeugen würde.
Ein als »frei« empfundenes System ist also ein System, das sich quasi selbst erschafft. Hofstadter verwendet hierfür viele verschiedene Metaphern – mathematische, musikalische, oder auch die von ihm reichlich zitierten Escher-Variationen auf das Thema Inneres Bild in äußerem Bild, während aber das innere Bild auch das äußere Bild in sich enthält.
Eine mögliche Antwort auf die Frage nach der Freiheit des menschlichen Geistes ist also, dass als »frei« empfunden werden kann, was einfach zu komplex für unser Verständnis ist. Das war aber gar nicht wirklich Hofstadters Frage. Er fragte ja, ob, und wenn ja wie, künstliche Intelligenz umsetzbar wäre. Für eine in den 70erjahren verfasste Untersuchung ist seine Antwort bemerkenswert treffend – er beschreibt recht treffend, wie KI-Systeme heute funktionieren.