Bücher

Havel schreibt den »Versuch, in der Wahrheit zu leben« im letzten Jahrzehnt des tschechoslowakischen Sozialismus. Er bezeichnet die alt gewordenen Diktaturen des Ostblocks als »post-totalitäre« Systeme und meint damit, dass nicht einzelne Personen oder Gruppen diktatorisch (»totalitär«) Macht ausüben, sondern dass die eigentlich Macht in der Ideologie liegt. Auch die Mächtigen des Systems sind nicht aus sich selbst heraus oder qua Position mächtig, sondern nur weil und solange wie sie als ausführendes Organ der Ideologie wirken.

Gerade ganz aktuell: Herr Lavrov ist der Überzeugung, dass die meisten Nazis selber jüdisch waren. Das ist natürlich Blödsinn, aber was, wenn ein glühender Antisemit und Nazi tatsächlich feststellen müsste, dass er zweifelsfrei jüdisch sei? Was macht das mit dem Selbstbild und wie reagiert man da?

Dieses Buch ist für mich persönlich ein ganz besonderes: 1977 war ich als Kind zum ersten Mal in der DDR, und ich erinnere mich nicht an viel, aber schon, dass dort vieles irgendwie leicht anders, ver-rückt im eigentlichen Wortsinne war. Auch 1977 publizierte der DDR-Staatsschriftsteller Hermann Kant sein Buch Der Aufenthalt, das ich bei der Auflösung des väterlichen Bücherregals fand und als eines von wenigen Büchern mitnahm. Keine Ahnung, ob es ein Geschenk oder ein gekauftes Mitbringsel war, jedenfalls: es war sichtbar ungelesen. Und auch wenn sich das albern anhört: Es fühlt sich ein bisschen so an, als ob es meine Pflicht sei, hier noch eine letzte Offene Baustelle meines Vaters zu schließen und das Buch noch zu lesen.

Ende der 1970er-, Anfang der 1980erjahren war dieses Buch, das irgendwo zwischen Philosophie, Mathematik, Informatik und Biologie – oder besser: in allen vier Bereichen gleichzeitig – verortet werden kann, ein echter Geheimtipp. Obwohl der Autor durchaus fleißig weiterpubliziert, gelehrt und geforscht hat, ist es aber mittlerweile recht still um ihn geworden.
Im Grunde geht es Hofstadter um Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, AI), d.h. um die Frage ob und ggf. wie Computer eine Intelligenz entwickeln können, die der menschlichen ähnlich ist. Um diese Frage zu beantworten, muss man natürlich klären, was Intelligenz überhaupt ausmacht und wie man sie misst oder nachweist. Und sicher wäre es auch nützlich zu wissen, wie und wo die Intelligenz ihren Platz und Menschen hat und natürlich wie sie sich im Verlauf der Evolution entwickelt hat.

Klaus ist ja der »bessere« Mann, und das zeigt sich nirgends deutlicher als in seinem Verhältnis zum NS. Er hat sich persönlich stark exponiert und hat dafür bitter bezahlt – nicht allein durch Emigration, die mit dem Sieg über Nazi-Deutschland zu ende hätte sein können, sondern letztlich auch durch seinen frühen Tod im nun »freiwilligen« Exil. Wobei: Was ist schon freiwillig, wenn das alte Heimatland ihn nach wie vor ablehnt, weil er schon lange vor dem Krieg gewusst und klar benannt hatte, welch schlimmen Geistes seine Mitbürger*innen auch nach dem Ende der Nazi-Herrschaft immer noch waren?

Ca. 100 Jahre lang existierte das »unverteilte Gebiet« Neutral Moresnet, ganz in der Nähe von Aachen. Eigentlich war es nicht viel mehr als das heutige Dörfchen Kelmis, allerdings gab es dort zwischen den Napoleonischen Kriegen und dem 1. Weltkrieg eine bedeutende Zinkmine, die das Gebiet wirtschaftlich interessant machte.

Was passiert, wenn es einfach keine Regierung, jedenfalls keinen Staat gibt? Oder, wenn es nicht nur einen, sondern zwei Staaten gibt, die nur gemeinsam entscheiden dürfen, sich aber notorisch nicht einigen können? Wie sieht real existierende Anarchie aus? Braucht es wirklich Gerichte und ein staatliches Gewaltmonopol? Moresnet ist quasi eine Langzeituntersuchung zu diesem Thema, die eine recht eindeutige Antwort abgeliefert hat, nämlich: »alles halb so wild, es läuft ganz prima auch ohne Institutionen«.

Philip Dröge informiert sehr kurzweilig, ein bisschen popularisiert, auf Niederländisch (es gibt aber auch eine deutsche Ausgabe) über ein Land, das eigentlich unvorstellbar ist, und trotzdem ganz gut funktioniert hat.

Das Buch der Königstöchter ist der zweite Teil von Theweleits auf vier Bände angelegter Pocahontas-Reihe.

Es widmet sich zwei wesentlichen Schwerpunkten, nämlich einerseits den mit der griechischen Landnahme verknüpften Mythen um Götter und Königstöchter sowie ihren Heroen-Söhnen, allen voran Medea, der Kinder es allerdings gar nicht erst bis zum Heldenstatus bringen. Und andererseits der realhistorisch, aber mythologisch überformten Figur der Malinche, die bei der Eroberung Mexicos durch Cortés geschätzte und wirksame Hilfe des Conquistadors war.

So ein Glück muss man erstmal haben: Ein Jahresstipendium als ausländischer Schriftsteller in Berlin, und dann bricht vor den eigenen Augen die DDR zusammen. Cees Nooteboom, der bereits in den 50ern Erfahrungen mit der DDR und dem Ostblock gesammelt hatte, ist genau das passiert. Seine Berliner Notizen sind als Tagebuch formuliert, das den Weg von scheinbarer Normalität im Osten der Stadt hin zum totalen über-den-Haufen-Werfen aller Sicherheiten und Routinen schildert. Auch wenn es in der Rückschau sicher die eine oder andere redaktionelle Bearbeitung gegeben haben dürfte, sind die Notizen doch ein sehr persönlicher Zugang zu den Ereignissen von 1989/90, die nicht besonders ambitionierten Schwarzweißfotos verstärken den Eindruck der Privatheit noch.

This is the second part in the ever-growing series of peculiar novels by Ransom Riggs.

The basis for these novels are vintage photographs with weird and often clumsy "special effects" that the author used to collect. In the first novel of the series, the author made use of these pictures as a scaffold around which he created a race of peculiars that have all the special powers and abilities depicted in the photos. These peculiars have invented a system to live outside time which basically means: eternal life, but outside history and at the cost of inhibiting any development personally or as a group. However, they can travel, and they can even travel through time. While the first part was set mainly during WW2, this part plays during WW1 – Riggs seems to love war settings.

Zum Weihnachtsfest kursiert bekanntlich viel Halbwissen und viel zu Klischees: Das Konsumfest ohne Inhalt, der angeblich von Coca-Cola erfundene Weihnachtsmann oder die Identität mit heidnischen Lichtfesten.

Herrn Göttert kommt das Verdienst zu, die Fakten zur Geschichte, zum Inhalt und zur Wirkung des Weihnachtsfestes sehr gründlich und fachübergreifend zusammengetragen zu haben. Er beginnt mit einer kritischen Würdigung des biblischen Befunds, geht über zu kirchengeschichtlichen Untersuchungen der Fixierung von Datum und Inhalt des Weihnachtsfests sowie zu Vergleichen mit verwandten christlichen und heidnischen Festen und Fest-Praktiken. Breiten Raum nimmt die Kulturgeschichte des Festes ein, wobei die Unterscheidung zwischen evangelisch und katholisch einen vergleichsweise breiten Raum einnehmen, während die soziale Frage oder auch Ausführungen zu den orthodoxen Kirchen vergleichsweise unterbelichtet bleiben.